von BIRGIT KÄHLER
Wellness-Komplettpaket aus Wasser, Bewegung, Miteinander, Schwimmen,
Sonnenschein, Fischbrötchen und anderen kulinarischen Leckereien
Samstag, 3. September
Eine erste größere Ausfahrt mit dem Ruderboot. Bislang waren wir diessommerlichen Anfänger, Teilnehmer des Ruder-Schnupperkurses bei Ägir, nur kleine Runden nahe des Ruderclubs gerudert. Ein relativ großer Anteil unserer abendlichen Trainingszeit ging jeweils mit Logistik, dem Einteilen und Ausbringen der Boote sowie nach dem Rudern mit dem Säubern und wieder Verstauen der Boote einher. Erst wenige einzelne Stunden war ich rudernd auf dem Wasser. Was mir ursprünglich gedanklich ganz einfach erschien, zumindest wenn man schon oft genug einen Angelkahn gerudert hatte, erwies sich dann in einem echten Ruderboot mit Auslegern doch als eine sehr komplexe Angelegenheit, da es viele Aspekte zu beachten gilt und diese alle gleichzeitig. Eine zweite große Herausforderung ist es, den identischen Rhythmus mit allen anderen Insassen beim Rudern dauerhaft zu halten. Es haperte bei mir noch arg mit der Koordination. Meine eigenen Zweifel, ob ich die Vereinsfahrt dennoch mitmache, besiegte der Gedanke, dass ich ja gerne auf dem Wasser bin und so eine Fahrt genau das ist, weshalb ich mich entschlossen hatte, nach dem Schnupperkurs dabeizubleiben. Auch wollte ich sehr gerne die anderen Vereinsmitglieder kennenlernen. Ungern hätte ich jedoch als Anfängerin die erfahrenen Ruderer in ihrem regelmäßigen kräftigen Schlag ausgebremst oder durch Verhaken meiner Skulls mit den ihrigen gestört. Darum hatte ich die Vorstellung, dass die Anfänger in einem separaten Boot fahren und gemütlich im eigenen Tempo den Booten mit den langjährigen Ruderern hinterherfahren würden. Der Tag ist lang und die Sonne geht erst spät am Abend unter, es wäre genug Zeit. Jedoch gab es schon einen ausgeklügelten Plan, wie die Rudererer in die Boote verteilt werden: Männer und Frauen gemischt und die Anfänger verteilt über die Boote, so dass alle Boote in etwa gleich stark besetzt sein würden. Nicht mal meinen Gedanken ganz vorn Platz zu nehmen und damit sowohl aus dem Blickfeld des Steuermannes als auch der im Boot Mitrudernden zu verschwinden, und außerdem auch etwas abseits des Aktionsradius der anderen zu sein und somit weniger zu stören, ließ sich verwirklichen, denn damit wäre eine Verantwortung bei Anlandemanövern verbunden gewesen und diese wollte man mir nicht zumuten.
Die Fahrt sollte uns vom Vereinsgelände in Friedrichshagen bis zum Rüdersdorfer Kalksee führen. Beim Rüdersdorfer Ruderclub an der Autobahnbrücke wollten wir übernachten. Für die 17 km lange Strecke waren zwei Pausenstopps vorgesehen. Wir starteten mit sechs Vierern mit Steuermann. Vier Kinder fanden zusätzlich Platz in den Booten. Unter den Ruderern waren sieben Anfänger*innen gut über die Boote verteilt.
Bei schönstem Sonnenschein stiegen wir in die Boote. Wir ruderten über den Müggelsee zunächst bis zum Ruderverein Rahnsdorf an der Spree. Mit verschiedensten Wasserfahrzeugen hatte ich schon den Müggelsee überquert, auch selbst schwimmend, aber mit dem Ruderboot war es für mich das erste Mal. Gern wollte ich auf der Fahrt auch andere Boote angucken oder die anliegenden Ufer beschauen, allerdings kam ich, sobald ich mich umsah oder anfing zu sprechen oder auch nur jemandem zuzuhören, sofort aus dem Rhythmus. Im Paddelboot lasse ich gern mal die Beine über die Reeling baumeln, um die Aussicht zu genießen oder einfach nur die Sonne. Jedoch bedeutet beim Rudern im Mehrsitzer zu meiner Verwunderung, dass nur in geplanten Pausen geruht wird. Ansonsten wird stramm durchgerudert, selbst wenn es sich nicht um eine Regattafahrt handelt.
Am Rahnsdorfer Ruderverein legten wir an und stiegen zu einer Landpause auf der schönen Wiese des Vereins aus. Es gab einen Getränkeausschank, von Bier bis Himbeerbrause war für jeden etwas dabei. Ein paar Schritte weiter über Land konnte man beim Rahnsdorfer Fischer diverse wunderbare Fischbrötchen erstehen. Der Fisch der anliegenden Gewässer wurde als Fischboulette angeboten. Weiter ging es dann über den Dämeritzsee bis zum Badestrand am Flakensee. Auf dem Sandstrand wurden Decken ausgebreitet und ein jeder holte sein mitgebrachtes Picknick heraus. Einige hatten sogar für das Gemeinwohl Kuchen gebacken. An einem Verkaufsstand konnte man passend dazu einen Kaffee bekommen, auch Essbares gab es im Verkauf. Manche nutzten die Zeit am Strand für ein kurzes Schläfchen und/oder Bad im See, so auch ich. Danach ging es weiter zur letzten Etappe, die aber nochmal durch eine Wartezeit an der Woltersdorfer Schleuse unterbrochen wurde. Die Ampel stand auf Rot und lange passierte nichts. Sollten wir lieber die Bootsschleppe benutzen? Eine Anzeige „Ihre Wartezeit beträgt…“ hätte uns die Entscheidung abgenommen, aber so etwas gibt es am Wasser noch nicht. Wurde solange auf Sportboote aus der Gegenrichtung gewartet bis die Schleuse voll war, um nicht quasi umsonst zu schleusen und gab es um diese Zeit zu wenig Bootsverkehr aus der anderen Richtung? Warum eigentlich stand vor der Schleuse ein Lastkahn? Steht er nicht im Weg im Fahrwasser? Warum wird so ein Gefährt in Schleusennähe geparkt? Nach geraumer Zeit ging doch endlich die Schleuse auf und heraus kamen so gar nicht wie erwartet Sportboote aller Art, sondern die Schubeinheit zum geparkten Lastkahn. Das also war der Grund für die lange Wartezeit. Nachdem die Schleuse für uns frei war, ging alles sehr schnell. Wir ruderten all unsere Boote hinein, ein Motorboot kam noch hinzu. Das Schleusen dauerte nicht lang und wir ruderten aus der anderen Seite wieder hinaus. Auf der Schleusenbrücke standen einige Zuschauer. Dann ging es weiter bis zum Rüdersdorfer Kalksee. Welch wunderbar herrlich klares Wasser, sauber und durchsichtig wie ein Gebirgssee! Das Ziel unserer Fahrt, der Rüdersdorfer Ruderverein unterhalb der Autobahnbrücke, war erreicht. Nachdem sich ein jeder sein Nachtquartier bereitet hatte, wobei einige ihre Zelte auf die schöne ebene Wiese direkt am See aufbauten, andere ihre Isomatten im Fitnessraum oder der Turnhalle des Vereins ausbreiteten oder es sich in ihren Zimmern einrichteten, nutzten andere die Chance zum Schwimmen.
Zum Abendbrot wurden wir in der ortsansässigen Gaststätte „La Luna Sul Lago“ gut verköstigt. Jede*r hatte schon vor der Tour aus zwei möglichen Gerichten eines ausgewählt. Einige Ruderer aus dem Verein kamen extra für den Abend noch hinzu. Wir saßen noch lange gemütlich mit Getränken und auch manchem Tiramisu bei angeregter Unterhaltung zusammen. Am späten Abend fuhren einige zum Schlafen nach Hause. Manch einer fuhr am Abend auch heim, um die Tour zu beenden und ein anderer kam dafür zum nächsten Morgen hinzu, um nur die Rücktour zu rudern, so dass in beide Richtungen kein Bootsplatz unbesetzt blieb.
Sonntag, 4. September
Der nächste Morgen konnte mit einer nochmaligen Schwimmrunde im See beginnen. Was für ein schöner Start in den Tag! Auf der Terrasse der Gaststätte mit Blick auf den See bekamen wir ein gutes Frühstück von frischen Brötchen bis Obstsalat serviert.
Für die Rückfahrt war nur eine Pause beim Rahnsdorfer Ruderverein eingeplant.
Erneut schmeckte ein Fischbrötchen und standen die Getränke des Ausschanks beim Verein zur Verfügung.
Das letzte Stück der Strecke war wieder die Überquerung des Müggelsees. Obwohl die Sonne immer noch wunderbar schien und eigentlich kein Wind zu spüren war, gab es dieses Mal viele Wellen auf dem Müggelsee. Für mich war schwer zu erkennen, ob diese Wellen vom Wind oder vom Bootsverkehr auf dem See herrührten. Es schwappte fortlaufend Wasser ins Boot. Wann ist wohl der Zeitpunkt gekommen, an dem man es dringend wieder herausschöpfen muss? Die Wasserlage wird ja tiefer, je schwerer das Boot wird und umso leichter noch schwappt das Wasser über. Wir wurden diesbezüglich aber nicht tätig, denn unser Ziel lag ja schon in absehbarer Nähe. Wir ruderten zielstrebig weiter.
Wie gut, dass wir alles Gepäck, aber wirklich alles, gut verpackt hatten. Es wäre keine gute Idee, ein Kleidungsstück für „falls es mal kalt wird“, einfach so in Sitznähe zu deponieren.
Während es auf der Hinfahrt hier und da mal den guten Rat an mich gab, doch besser ins Boot zu gucken (anstatt unkonzentriert durch die Gegend zu sehen), fiel es mir auf der Rückfahrt schon etwas leichter den Rhythmus zu halten. Auch wenn ich mich mal in der Gegend umsah oder unterhielt, es hatten sich inzwischen einige Automatismen eingestellt. Am Ende der Rücktour gab es sogar ein Lob. Es erwies sich als sehr hilfreich, die Tour inmitten der erfahrenen Ruderer sitzend mitgemacht zu haben und diesen und jenen Tipp zu erhalten. Das trug auf jeden Fall dazu bei, mehr Routine in die Ruderbewegung zu bekommen und vor allem auch die Scheu zu verlieren, gemeinsam in einem Boot mit erfahrenen Rudern zu sitzen.
Obwohl ich die befahrenen Gewässer grundsätzlich alle schon kannte, erwies sich die Bezeichnung „Neuwasser“ für mich als zutreffend, denn im Ruderboot habe ich die Strecke erstmalig befahren. Auch sieht die Landschaft aus der Rückwärtsposition gesehen doch erstmal etwas anders aus.
Wieder am Verein als Ziel angekommen, stieg ich mit dem Gedanken „Wann ist die nächste Tour?“ voller Zufriedenheit aus dem Boot. Die Boote wurden nun ausgiebig gesäubert und getrocknet, bevor sie wieder in das Bootshaus geräumt wurden. Dieses Mal stand der Aufwand des Boote-Raus- und Reintragens und Putzens zum eigentlichen Rudern im Gegensatz zu unserer sonst nur kleinen abendlichen Trainingsrunde in einem wirklich guten Verhältnis.
Mein großer Dank gilt all denen, die uns Anfänger im Schnupperkurs gut trainiert haben und uns ermunterten und motivierten, schon an dieser Zwei-Tagestour teilzunehmen. Auch die Idee, die Anfänger in die Boote der erfahrenen Ruderer zu mischen, erwies sich als eine sehr gute. Selbst hätte ich es nicht gewagt, diese Entscheidung für mich zu treffen, ebenso nicht, mich den erfahrenen Ruderern als eventuelle Bremse zuzumuten. Also ein Hoch auf den Teamgeist im Verein und danke für die Geduld meiner Bootsmannschaft. Für mich fühlte sich der Ausflug an wie ein Wochenende-Urlaub. Es war rundum ein Wohlfühlwochenende: auf dem Wasser, im Wasser, miteinander und auch kulinarisch. Vielen Dank an diejenigen, die die Fahrt organisiert haben und an alle, die dabei waren.